Der Strukturwandel kommt – wir wollen, dass er gut gelingt.

Die Krankenhaus-Reform ist umsetzbar
Erstellt von:AKG Geschäftsstelle
Erstellt am:03.03.2025
Aktualisiert am:04.03.2025, 10:28

Erschienen im iX-Forum 01/2025 "Vorgezogene Neuwahlen - Aufgaben der nächsten Legislaturperiode" (https://www.ix-media.de/forum/)

Die aktuelle Krankenhausreform ist die seit Dekaden größte und grundlegendste Veränderung im deutschen Gesundheitswesen als Ganzes. Ihr Erfolg ist die Voraussetzung für die Anpassung der gesamten Gesundheitsversorgung an die Erfordernisse des 21. Jahrhunderts. Denn der demografische Wandel führt zu einer Steigerung des Versorgungsbedarfs bei gleichzeitiger Verknappung der personellen und finanziellen Ressourcen: Mit weniger muss uns viel mehr, noch besser gelingen. 

Die Reform schafft dafür die Voraussetzungen, wird aber zunächst überall im Land Fragen, Widerstand und sogar Schmerz auslösen, bevor schließlich eine Besserung spürbar wird. Denn wir werden die wachsenden Erwartungen an das Gesundheitssystem nur mit weniger, aber dafür leistungsstärkeren Krankenhäusern sowie mit einer besser koordinierten ambulant-stationären Versorgung erfüllen können. Krankenhäuser werden schließen müssen, damit die Verbleibenden noch besser werden können. Aufgaben werden neu und anders verteilt. Die Menschen werden diese notwendigen Veränderungen zunächst als Verlust empfinden, bevor sie deren Chancen und Potenziale erkennen können. Die Umsetzung dieser Reform ist eine große Herausforderung auf allen politischen Ebenen – lokal, regional und national. Sie erfordert vor allem eine kluge, faktenbasierte, vorausschauende und verständliche Kommunikation, die den Wandel aktiv begleitet. 

Die Reform von Beginn an absichern: Versorgungsengpässen vorbeugen

Die Umsetzung der Gesundheitsreform ist mit der Sanierung der Verkehrsinfrastruktur vergleichbar. Zu Beginn, wenn die Baustellen eingerichtet und Ersatzverkehre organisiert werden, kann es zu Friktionen kommen. Bis bestimmte Leistungen künftig in weniger Krankenhäusern stationär erbracht werden, die dafür jedoch bestens spezialisiert sein werden, kann das zunächst zu längeren Wartezeiten führen. Auch weil in der Übergangsphase manche Leistungen nicht mehr stationär, sondern von einem Krankenhaus oder Vertragsarzt ambulant erbracht werden. Damit das gut funktioniert, müssen die stationären und ambulanten Strukturen neu aufeinander ausgerichtet werden. Dieser Prozess könnte asynchron verlaufen: Die unterfinanzierten Krankenhäuser dürften dem politischen Willen rasch folgen und die Menge ihrer stationär - und vielfach nicht kostendeckend - erbrachten Leistungen reduzieren, was den Trend zur Ambulantisierung der (Krankenhaus-)Medizin verstärkt. Die ambulanten Strukturen müssen jedoch parallel zum schnell wachsenden Bedarf ebenso rasch erweitert werden. In dieser Anpassungsphase kann es zu Engpässen kommen, auch in der Notfallversorgung. Wichtig ist jedoch: Kurzfristige lokale Versorgungsengpässe dürfen nicht dazu führen, den eingeschlagenen Weg der qualitätsorientierten Konzentration in der stationären Versorgung zu verlassen. 

Vertrauen im Wandel stärken: Die Notfallversorgung sofort sichern

Eine verlässliche Notfallversorgung in allen Teilen des Landes ist notwendige Voraussetzung für das Vertrauen der Bevölkerung in eine qualitätsorientierte Konzentration von Krankenhausleistungen. Daher fordern die Kliniken der Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser e.V. (AKG) die schnellstmögliche Umsetzung der zentralen Elemente aus dem vorliegenden Entwurf zur Reform der Notfallversorgung unter Einbindung der Neuregelungen zum Rettungsdienst sowie die koordinierte Nutzung aller telemedizinischen Möglichkeiten. Dazu braucht es eine eindeutige Definition der Sicherstellungsverantwortung für die Notfallversorgung und die rasche Etablierung von Integrierten Notfallzentren (INZ). Ein standardisiertes – vorzugsweise KI-gestütztes – Ersteinschätzungsverfahren, um die Dringlichkeit und die beste Versorgungsform der Behandlung festzulegen und neue Formen der ambulanten Akutintervention – beispielsweise erweiterte Aufgaben der Rettungsdienste, die mit telemedizinischer Unterstützung die Akutversorgung unmittelbar leisten, ohne Patienten in ein Krankenhaus transportieren zu müssen – sind weitere Optimierungspotenziale. Die INZ sollen bevorzugt in jenen Krankenhäusern etabliert werden, die im bestehenden dreistufigen System der Notfallversorgung (Basis/erweitert/umfassend) und der Versorgungslevel (Level 1, 2 oder 3) über die höchste Stufe verfügen.

Die Neuordnung der Notfallversorgung darf nicht ohne die Fachkräfte gedacht werden. Die konsequente Berücksichtigung von telemedizinischen Lösungen bei der Triage, beim Einsatz von Notärzten sowie bei der Etablierung von INZ-Standorten kann eine rechtssichere und fallabschließende Behandlung von Notfällen auch ohne die unmittelbare Anwesenheit der knappen ärztlichen Ressourcen ermöglichen. In der Übergangszeit der Reform muss die Notfallversorgung durch die Erhöhung der etablierten Notfallstufenzuschläge gestärkt werden. Langfristig ist aus Sicht der AKG-Kliniken eine fallunabhängige Finanzierung der Notfallinfrastruktur in allen Leistungsbereichen die systemgerechte Lösung. 

Eine besser aufgestellte Notfallversorgung darf jedoch nicht dazu führen, dass die Versorgungspfade der Regelversorgung konterkariert werden, weil sich die Menschen von einem Besuch in der Notaufnahme eine rasche und kompetente Versorgung „auf der Überholspur“ versprechen. Abhilfe schaffen könnte hier die Vereinbarung neuer „Auftragsleistungen“ zwischen dem ambulanten Bereich als Auftraggeber und den Krankenhäusern als „Auftragnehmer“ für die Nutzung der diagnostischen Infrastruktur zur kurzfristigen Abklärung von Notfallindikationen – ohne die Verantwortung für die Weiterversorgung an die Krankenhäuser abzugeben. Diese Leistungsbeziehung sollte insbesondere zwischen den INZ und den sogenannten Kooperationspraxen etabliert werden.

Darüber hinaus sollte die Politik die Ausschreibung regionaler Versorgungsaufträge als neues Instrument zur Sicherstellung der Gesundheitsversorgung prüfen. Dazu schlagen die AKG-Kliniken vor, dass die kassenärztlichen Vereinigungen und die Verbände der Krankenkassen gemeinsam konkrete medizinische Leistungen im Falle einer nachweislichen Unterversorgung für einen fest definierten Einzugsbereich und Zeitraum „ausschreiben“. Bewerben können sich alle zugelassenen Leistungserbringer, sofern und soweit diese die vorgegebenen Qualitätsanforderungen erfüllen. Die Vergütungsvereinbarung erfolgt auf Basis eines Bieterverfahrens, das sich an dem kalkulierten Versorgungsumfang orientiert. Zur Vermeidung von Fehlanreizen sind Mindesterlöse und Maximalerlöse über die gesamte Vertragslaufzeit zu definieren. Zur Qualitäts- und Abrechnungsprüfung können eigene Regelungen zwischen den Vertragspartnern vereinbart werden. Mit einem solchen Modell können regionale Engpässe bedarfsgerecht aufgelöst und weitere Impulse für sektorübergreifende und regionale Versorgungskonzepte geschaffen werden.

Bessere Strukturen gestalten: Koordination nutzt allen

Handeln ist kein Selbstzweck. Nur wenn es sinnvoll, zielorientiert und koordiniert ist, führt es zum Erfolg. Darum ist es gut, wenn die neuen „Koordinierenden Krankenhäuser“ künftig die ihnen zugewiesene zentrale Rolle in der Abstimmung regionaler Versorgungsstrukturen übernehmen – zum Beispiel im Aufbau der telemedizinischen Vernetzung. 

Die neu eingeführte Koordinierungsfunktion kann einen wesentlichen Beitrag dazu leisten, lokale Versorgungsengpässe zu minimieren und einen effizienten Ressourceneinsatz zu ermöglichen. Dafür empfehlen die AKG-Kliniken eine bundesweite Festlegung des Koordinierungsbedarfes anhand von Bevölkerungskennzahlen. Dies erscheint erforderlich, um eine regionale Verankerung und langfristige Netzwerkbildung sicherzustellen. Voraussetzung dafür ist jedoch eine regionale Ausgestaltung der Koordinierungsfunktion und eine Erweiterung der Aufgaben für die koordinierenden Häuser. Eine faire, an die Kostenentwicklung gekoppelte Finanzierung der Koordinierungsfunktion ist entsprechend der Aufgabenentwicklung zu gestalten und auf Basis von Bevölkerungskennzahlen auf die Bundesländer zu verteilen.

Die AKG hat dazu konkrete Vorschläge erstellt.

Politik muss verlässlich sein: Eine kalkulierbare Vorhaltefinanzierung

Wirtschaft braucht einen verlässlichen Rahmen – und erst recht die lokal verankerte Gesundheitswirtschaft mit ihrem Sicherstellungsauftrag für die Bevölkerung in der Region. Insofern begrüßen die AKG-Kliniken, dass die Krankenhäuser künftig nicht allein auf Fallbasis (Diagnosis Related Groups, DRG) bezahlt werden, sondern einen Teil ihrer Einnahmen als „Vorhaltefinanzierung“ für das Bereitstellen bestimmter personeller und technischer Versorgungstrukturen – etwa für Notfälle – erhalten sollen. 

Doch auf diesen Teil der Finanzierung muss Verlass sein. Die vom Gesetzgeber beschlossene regelhafte Neukalkulation des Vorhaltebudgets je Land und je Leistungsgruppe – beispielsweise für die „Interventionelle Kardiologie“ – auf Basis der tatsächlichen Fallzahlentwicklung schwächt diese Finanzierungssäule. Denn die Bundesländer erhalten damit einen Anreiz, das eigene Versorgungsaufkommen zu Lasten der anderen Bundesländer hochzufahren. Diesem Effekt kann durch eine Fortschreibungslogik, die allein auf Bevölkerungs- und Morbiditätsparameter abzielt, unmittelbar entgegengewirkt werden. Hierfür ist eine entsprechende Fortschreibungslogik auf Bundesebene zu entwickeln.

Die AKG hat dazu konkrete Vorschläge erstellt.

Heute an die Zukunft denken: Wie Aus- und Weiterbildung gelingt

Die ärztliche Weiterbildung, aber auch die Ausbildung in den medizinischen Fachberufen zählen zu den vornehmsten Aufgaben der Krankenhäuser, die aber einer breiteren Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Die Krankenhausreform erfordert die Absicherung der ärztlichen Weiterbildung durch regionale Verbünde und Netzwerke, indes die neue Rolle der koordinierenden Krankenhäuser die Chance zur regionalen Verankerung des nicht-akademischen Fachpersonals eröffnet.

Ihre ärztliche Weiterbildung, die sich dem Studium anschließt, absolvieren die Ärztinnen und Ärzte in unterschiedlichen Fachgebieten. Das neue Leistungsgruppensystem zwingt die Krankenhäuser zur Konzentration auf bestimmte Leistungen und mittelbar zur Aufgabe anderer. Kaum ein Krankenhaus wird daher künftig sämtliche Weiterbildungsinhalte der bestehenden Weiterbildungsordnungen anbieten können. Regionale Weiterbildungsverbünde und -netzwerke, aber auch eine Strukturreform für bessere rechtliche Rahmenbedingungen der Weiterbildung werden notwendiger denn je.

Insbesondere in den nicht-akademischen Berufen ist eine regionale Verankerung der Aus- und Weiterbildung für die Sicherung der Patientenversorgung von existenzieller Bedeutung sowie für die Regionen ein Wirtschafts- und Standortfaktor. Auch hier können die koordinierenden Krankenhäuser eine maßgebliche Rolle einnehmen und neben einer koordinierenden Funktion die Sicherstellung der Nachwuchsförderung übernehmen.

Voraussetzung für eine Stärkung der regionalen Verantwortung und Netzwerke ist jedoch, dass eine langfristig planbare Finanzierung unabhängig von jeder fallzahlbasierten Abrechnungslogik sichergestellt wird.

Die Reform ist umsetzbar. Die AKG-Kliniken wollen, dass sie gut gelingt.

AKG-Kliniken: Wir tragen Verantwortung

Wir sind die AKG-Kliniken, die Allianz der Kommunalen Großkrankenhäuser. Wir repräsentieren 30 große, kommunale Kliniken in Deutschland und versorgen mit unseren über 147.000 Mitarbeitenden in jedem Jahr ca. 1,6 Millionen Patientinnen und Patienten vollstationär. Wir wollen, dass die Reform gut gelingt. Wir sehen die Chancen und sind intrinsisch motiviert. Denn wir, die großen kommunalen Maximalversorger, gehören den Bürgerinnen und Bürgern, für die wir da sind. Wir tragen Verantwortung für uns alle. Und wir sind heute und auch künftig unverzichtbar. Wir wissen aber auch: Allein geht es nicht. Die Qualität der Versorgung in unseren vielfältigen Regionen basiert auf der Leistungsfähigkeit aller ambulanten und stationären Versorger sowie auf ihrem reibungslosen Zusammenspiel. Nur gemeinsam können wir noch besser werden! Darum sehen wir uns als Partner aller, die den Weg in die Zukunft konstruktiv und erfolgreich gestalten wollen. Wir wollen nicht nur die Allianz der maximal besten Gesundheitsversorger sein, sondern auch ein verantwortungsbewusster Partner der Politik, der anderen Gesundheitsversorger und der Öffentlichkeit auf allen politischen Ebenen. Wir wollen sachlich informieren und konstruktive Vorschläge einbringen, damit uns die Herkulesaufgabe gelingt, die Gesundheitsversorgung neu zu denken und besser zu gestalten. Wir sind ansprechbar und immer für Sie da.