Update: AKG-Stellungnahme zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG)

Erstellt von:AKG Geschäftsstelle
Erstellt am:26.06.2024
Aktualisiert am:25.06.2024, 16:14

Grundsätzliche Einordnung

Die AKG-Kliniken erkennen den grundlegenden Wandel der Gesundheitsversorgung als Konsequenz aus der demografischen Entwicklung und dem medizinisch-technischen Fortschritt in der Versorgung an. Schon heute stehen weder ausreichend Fachkräfte noch finanzielle Ressourcen für eine Fortsetzung der bisherigen Versorgung in den etablierten Strukturen zur Verfügung. Eine Verbindung von Krankenhausplanung und Krankenhausfinanzierung kann dazu beitragen, dass die finanziellen Mittel dort allokiert werden, wo sie für die Versorgung tatsächlich benötigt werden. Eine Voraussetzung dafür ist eine aktive Krankenhausplanung der Länder und die konsequente Verankerung von Planfallzahlen im Rahmen der Planungsprozesse. Im Ergebnis müssen neue Formen der Zusammenarbeit in der Versorgung auch über die bisherigen Sektorengrenzen hinaus entwickelt werden, die eine zeitlich und räumlich unabhängige Verfügbarkeit der notwendigen Expertise und einen effizienten Einsatz der knappen Personalressourcen ermöglichen. Hierfür braucht es eine Koordinierungsfunktion, die den regionalen Bezug sicherstellt und eine übergeordnete Verantwortung mit den relevanten Versorgungskapazitäten in Verbindung bringt. 

Die jahrzehntelang etablierten Mechanismen der Krankenhausfinanzierung sind angesichts nicht ausreichender Refinanzierung von Tarifkosten und einer sprunghaft angestiegenen Inflation dringend anzupassen. Die Behebung der akuten wirtschaftlichen Probleme der Krankenhäuser darf jedoch den grundlegenden Reformprozess nicht torpedieren.

Die notwendigen Strukturanpassungen sind mit einem umfassenden Investitionsprogramm zu unterstützen. Dabei ist darauf zu achten, dass insbesondere die Vorreiter für effiziente und zukunftsfähige Krankenhausstrukturen nicht zum Abwarten motiviert werden. Der Transformationsprozess muss jetzt angestoßen und mit finanziellen Impulsen gefördert werden.

Im Einzelnen schlagen die AKG-Kliniken folgende Kompromisslösungen für eine zügige Konsentierung der angestoßenen Krankenhausreform vor:

Koordinierungsfunktion §6B KHG

Die zwingende Notwendigkeit einer regionalen Koordinierungsfunktion ergibt sich aus den Erkenntnissen der Corona-Pandemie und der Verantwortung für eine tragfähige Daseinsvorsorge. Eine bedarfsgerechte und tragfähige Versorgung erfordert zukünftig eine verbindlich abgestimmte Zusammenarbeit von Akteuren verschiedener Versorgungslevel innerhalb einer Region. Dabei ist die administrative Verantwortung unmittelbar mit der Sicherstellungsverantwortung für die Versorgung zu verknüpfen. Nur so kann eine wirtschaftlich und medizinisch tragfähige Versorgung entsprechend der jeweiligen Versorgungsrolle sichergestellt werden. Mit Blick auf die immer knapper werdenden Ressourcen bedarf es einer aktiven Koordinierung im Sinne einer regionalen Lotsenfunktion für die Patientinnen und Patienten.

Angesichts der bisher zeitlich nicht mit der Krankenhausreform abgestimmten Notfallreform und den ausstehenden Neuregelungen für den Rettungsdienst kommt einer verlässlichen und glaubwürdigen Koordinierungsfunktion eine zentrale Bedeutung für den anstehenden Reformprozess zu. Nur wenn sich die Bevölkerung darauf verlassen kann, dass im Bedarfsfall schnelle und hochwertige Hilfe unabhängig von institutionellen Grenzen gewährleistet ist, wird sie den notwendigen Vertrauensvorschuss für einen Umbau der Krankenhauslandschaft gewähren. Eine wirksame und sichtbare Koordinierungsrolle kann hierbei einen wertvollen Beitrag leisten.

Mit dauerhaften Ausnahmeregelungen für Krankenhausstandorte, die in der Liste nach §9 Absatz 1a Krankenhausentgeltgesetz (Sicherstellungskrankenhäuser) enthalten sind, werden Qualitätsunterschiede in der Versorgung bewusst in Kauf genommen. Diese sollten durch eine verbindliche Kooperation mit den koordinierenden Krankenhäusern der jeweiligen Region minimiert werden. Hierbei ist insbesondere auf eine gemeinsame Qualitätssicherung sowie Fort- und Weiterbildung des medizinischen und pflegerischen Personals hinzuwirken, um eine hochwertige Patientenversorgung zu gewährleisten.

Im Sinne einer aktiven Qualitätssicherung sollte den koordinierenden Krankenhäusern eine gemeinsame Datenverarbeitung mit den kooperierenden Krankenhäusern nach §6 Abs. 3 Gesundheitsdatennutzungsgesetz gestattet werden.

Für eine funktionierende Zusammenarbeit vor Ort ist ein einheitliches Verständnis zum regionalen Wirkungskreis von herausragender Bedeutung und trägt zu gleichwertigen Versorgungsverhältnissen bei. Entsprechende Vorgaben sind durch den Gemeinsamen Bundesausschuss zu definieren.

Für den Betrieb notwendiger Netzwerkinfrastrukturen und administrativer Organisationsstrukturen ist eine adäquate Vergütung dieser Aufgabe sicherzustellen. Hierfür bedarf es einheitlicher Anforderungen und eines transparenten Auswahlprozesses. Eine zeitliche Befristung dieser Funktion erscheint im Sinne eines Qualitätswettbewerbes erstrebenswert.

Vorhaltevolumen je Land und Leistungsgruppe §37 Abs. 1 KHG

Die Vorhaltefinanzierung ist das Herzstück der Krankenhausreform. Sie verbindet erstmals die Krankenhausplanung mit der Krankenhausfinanzierung. Für eine tragfähige Vorhaltefinanzierung braucht es eine bundesweit einheitliche Planungssprache, die mit den Leistungsgruppen und Versorgungsleveln implementiert wird. Eine echte fallunabhängige Vorhaltefinanzierung hat das Potential, die stationäre Leistungserbringung grundlegend zu verändern. Sie sorgt für eine nachhaltige Reduzierung der bestehenden Mengenanreize und kann bei sinnvoller Ausgestaltung dazu beitragen, dass sich die Krankenhäuser auf ihre jeweilige Versorgungsrolle fokussieren können, ohne in wirtschaftliche Existenzprobleme zu geraten. Voraussetzung dafür ist eine fallunabhängige Ausgestaltung der Vorhaltefinanzierung. Dabei ist die erstmalige Ausgliederung des Vorhaltebudgets von der Fortschreibung in den Folgejahren inhaltlich zu trennen. Die initiale Ausgliederung auf Basis der Fallzahlen erscheint weitgehend alternativlos. Für die Fortschreibung sollte jedoch nicht auf Abrechnungskennzahlen, sondern vielmehr auf Morbiditätsparameter abgestellt werden. Andernfalls werden die Anreize zur Ambulantisierung und zur Strukturbereinigung auf Ebene der Bundesländer konterkariert. Eine konsequente Ambulantisierung bzw. Strukturbereinigung führt zu sinkenden Fallzahlen auf der Ebene der Bundesländer und damit zu einem rückläufigen Vorhaltebudget. Damit reduziert sich implizit auch das zur Verfügung stehende Vorhaltebudget für jeden Standort, ohne dass eine Neukalkulation auf Standortebene erfolgt.

Wir empfehlen daher das Vorhaltevolumen je Land und Leistungsgruppe für die ersten 10 Jahre nach der Einführung der Vorhaltefinanzierung einzufrieren. In diesem Zeitraum ist ein wissenschaftliches Instrument für die Fortschreibung des Vorhaltebudgets je Land und Leistungsgruppe zu entwickeln.

Auszahlung Vorhaltebudget §6b KHEntg

Für eine Abkehr von den bestehenden Steuerungsanreizen im Krankenhausmanagement ist eine rechnungsunabhängige Abzahlung der Vorhaltevergütung von großer Bedeutung. Andernfalls besteht die Gefahr, dass im Sinne einer betriebswirtschaftlichen Liquiditätssteuerung die Mengenanreize nicht wie gewünscht reduziert werden. Bereits seit einigen Jahren erfolgt die Steuerung von Krankenhäusern weniger nach Rentabilitätsparametern, sondern vielmehr nach Liquiditätsparametern. Daraus ergibt sich ein großer Fokus auf eine kontinuierliche Fallmenge im Jahresverlauf. Der tatsächliche Versorgungsbedarf ist zyklischen Schwankungen unterworfen, insbesondere bei Krankenhäusern mit einem großen Anteil von Notfällen. Die vorgesehene Auszahlung des Vorhaltebudgets schafft Anreize zur unterjährigen Mengensteuerung mit dem Ziel einer möglichst schnellen Vereinnahmung des gesamten Vorhaltebudgets. Sobald das Budget vollständig an das Krankenhaus ausgezahlt wurde, entsteht dann jedoch ein starker Anreiz, das Leistungsangebot zu reduzieren und Kosten zu minimieren.

Diesen Fehlanreizen kann mit einem Vorhaltefonds auch ohne Auswirkungen auf den Risikostrukturausgleich zwischen den Krankenkassen entgegengewirkt werden. In diesem Falle zahlen die Kassen ihren Vorhalteanteil je Fall gemäß der eingehenden Rechnungen nicht direkt an das Krankenhaus, sondern an einen zentralen Fonds. Dieser sorgt für eine kontinuierliche Abzahlung des Vorhaltebudgets in gleichbleibenden Raten an das Krankenhaus. Mit einem Vorhaltefonds werden die Bürokratiekosten von der Ortsebene (durch die Verhandlung von Zu- und Abschlägen für Erlösausgleiche) auf eine zentrale Instanz verlagert. Eine fallunabhängige Verteilung der Vorhaltefinanzierung auf die Krankenhausstandorte kann zudem durch die Orientierung an anteiligen Versorgungsaufträgen auf Basis der Planung in den Bundesländern ermöglicht werden.

Transformationsfonds §12b Abs. 1 KHG

Der Transformationsfonds ist das zentrale Element für einen schnellen Einstieg in den dringend notwendigen Strukturwandel in der Krankenhauslandschaft und trägt dazu bei, dass tragfähige und nachhaltige Versorgungsstrukturen umsetzbar sind. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass der Mitteleinsatz im Sinne einer Optimierung der Versorgung größtmögliche Wirkung entfalten kann. Vor dem Hintergrund der akuten wirtschaftlichen Notlage zahlreicher Krankenhäuser ist eine frühzeitige Neuaufstellung entsprechend der vorgesehenen Strukturanforderungen sinnvoll. Daher ist ein umgehender Einstieg in den Transformationsprozess zu fördern. Insbesondere jene Träger, die bereits heute Strukturveränderungen im Sinne der Vorhaben dieses Gesetzes angestoßen haben, können durch eine entsprechende Förderung einen wesentlichen Beitrag für die Veränderungen der gesamten Krankenhauslandschaft und die Akzeptanz in der Bevölkerung leisten.

Hierfür ist eine Erweiterung der Förderzwecke im Strukturfonds für den vorgesehenen Verlängerungszeitraum analog zum neuen Transformationsfonds sicherzustellen.

Notfallreform

Eine Reform der Notfallversorgung gehört zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren für eine grundlegende Reform der Krankenhausversorgung in Deutschland. Nur wenn in allen Teilen des Landes eine funktionsfähige und verlässliche Notfallversorgung gewährleistet und erlebt werden kann, erlangen auch darüberhinausgehende Strukturreformen das Vertrauen und Verständnis einer breiten Öffentlichkeit. Die Notfallreform ist daher zeitlich und inhaltlich in unmittelbarem Zusammenhang mit der Krankenhausreform zu beschließen.

Zur Stärkung der Notfallversorgung während des laufenden Reformprozesses und der langfristigen Strukturveränderung sollten die Notfallstufenzuschläge nach § 9 Absatz 1a Nummer 5 KHEntgG bereits mit Wirkung zum 1.1.2025 deutlich erhöht werden.

Bürokratieabbau

Die Einführung einer neuen Planungssprache sowie eines separaten Finanzierungsbausteins führen kurzfristig zu neuen Bürokratiekosten. Die Umstellung auf eine prospektive Strukturprüfung sowie die Einführung einer Stichprobenprüfung haben das Potential, die bürokratischen Aufwände auf allen Ebenen langfristig zu reduzieren. Angesichts der begrenzten personellen Ressourcen und der großen wirtschaftlichen Zwänge zahlreicher Krankenhäuser sind alle Regelungen auf ihre Bürokratielast zu prüfen.

Wir empfehlen aus diesem Grund eine gesetzliche Vorgabe für die Gültigkeit sämtlicher geprüfter Strukturvorgaben für einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren. Dieser Zeitraum erscheint auch aus betriebswirtschaftlicher und medizinischer Perspektive für einen verlässlichen Planungshorizont in der Leistungserbringung angemessen.