AKG-Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung (Notfallgesetz - NotfallG)
Eine Reform der Notfallversorgung gehört zu den entscheidenden Erfolgsfaktoren für eine grundlegende Reform der Krankenhausversorgung in Deutschland. Nur wenn in allen Teilen des Landes eine funktionsfähige und verlässliche Notfallversorgung gewährleistet und erlebt werden kann, erlangen auch darüberhinausgehende Strukturreformen das Vertrauen und Verständnis einer breiten Öffentlichkeit. Eine Notfallreform ist daher zeitlich und inhaltlich in unmittelbarem Zusammenhang mit der Krankenhausreform zu beschließen. Integrierte Notfallzentren müssen dementsprechend sachgerecht auf den bestehenden Notfallstufen in den Krankenhäusern aufbauen. Wirksame Verbesserungen in der Zusammenarbeit von ambulanter Versorgung und Krankenhäusern müssen für die Bürgerinnen und Bürger gemeinsam mit der verbindlichen Implementierung von Versorgungsleveln erlebbar werden. Auf dieser Basis kann eine nachhaltige und tragfähige Rollenverteilung zwischen den Krankenhäusern schrittweise und nachvollziehbar umgesetzt werden.
Der Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums für eine Reform der Notfallversorgung beinhaltet zahlreiche sachgerechte Vorschläge für eine Verbesserung der Abläufe und der Zusammenarbeit in der ambulanten Notfallversorgung. Die AKG-Kliniken fordern im Rahmen der Notfallreform konsequent auf den bestehenden Notfallstufen aufzubauen und einen anreizgerechten Finanzierungsrahmen für eine bedarfsgerechte Notfallversorgung zu etablieren. Dafür sind neue Leistungsbeziehungen zwischen niedergelassenen Praxen und Krankenhäusern zu implementieren und die Einbindung der integrierten Notfallzentren (INZ) in die Koordinierungsfunktion nach §6b (Neu) KHG zu prüfen.
Im Einzelnen empfehlen wir folgende Anpassungen im Sinne einer lückenlosen und sektorübergreifenden Notfallversorgung und zur Reduzierung bestehender Doppelstrukturen:
Integrierte Notfallzentren §123 SGB V
Die AKG-Kliniken begrüßen die Klarstellung des Sicherstellungsauftrages der Kassenärztlichen Vereinigungen und die Einführung von integrierten Notfallzentren mit einem gemeinsamen Tresen in der organisatorischen Verantwortung der Krankenhäuser. Die Notwendigkeit einer einheitlichen Ersteinschätzung an einem gemeinsamen Tresen zur bedarfsgerechten Steuerung der Patientinnen und Patienten ist inzwischen bei allen Beteiligten Konsens. Auch die Einbindung und technische Anbindung von Kooperationspraxen außerhalb der Öffnungszeiten der Notfallpraxen kann einen wertvollen Beitrag zu einer besseren PatientInnensteuerung in der Notfallversorgung leisten. Voraussetzung bleibt jedoch, dass für die Kooperationspraxen im Rahmen der ambulanten Versorgung die notwendigen Anreize zur Versorgung von NotfallpatientInnen geschaffen werden. Hierzu ist eine Klarstellung im Gesetzentwurf aufzunehmen.
Darüber hinaus wird es für die Abklärung einer weitergehenden Behandlungsnotwendigkeit in der Notfallversorgung regelmäßig vorkommen, dass die Kooperationspraxen erweiterte diagnostische Maßnahmen veranlassen müssen. Hierfür empfehlen wir die Einführung von Auftragsleistungen durch das Krankenhaus. Der Kreis der berechtigten Veranlasser sollte sachgerecht auf die Kooperationspraxen und die Notfallpraxen begrenzt bleiben. Die Finanzierung erfolgt auf Basis und im Rahmen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs. Der Umfang der festzulegenden Auftragsleistungen sollte durch den G-BA im Rahmen der Richtlinie nach Absatz 3 definiert werden.
Im Zusammenhang mit der standardisierten Ersteinschätzung in den integrierten Notfallzentren nach Absatz 2 bedarf es einer Klarstellung, dass durch den Rettungsdienst eingelieferte und bereits durch die Akutleitstelle ersteingeschätzte PatientInnen in der Notaufnahme als eingewiesene PatientInnen behandelt werden dürfen. Damit wird die fallabschließende und wirtschaftliche Versorgungsmöglichkeit durch das Krankenhaus sachgerecht erweitert. Ein Missbrauch ist durch die flächendeckend einheitliche Ersteinschätzung ausgeschlossen und ist im Rahmen einer Rettungsdienstreform entsprechend zu verankern.
Einrichtung von integrierten Notfallzentren §123a SGB V
Bei der Auswahl geeigneter INZ-Standorte sollte eine konsequente Orientierung an den bestehenden Notfallstufen erfolgen. Zur Klarstellung sollte in Absatz 1 eine Regelung aufgenommen werden, die die prioritäre Auswahl von Krankenhausstandorten mit der umfassenden Notfallstufe vor der Auswahl von Krankenhausstandorten der erweiterten Notfallstufe und abschließend die Auswahl von Krankenhausstandorten der Basisstufe sicherstellt.
Die Nutzungsentgelte der Kooperationsvereinbarung nach Absatz 2 können sich nur auf Geräte und Einrichtungen beziehen, die direkt durch das Personal der Notfallpraxis genutzt bzw. angewendet werden können. Darüber hinaus wird es regelmäßig erforderlich sein, eine weitergehende Diagnostik zu veranlassen. Hierfür bedarf es einer neuen Leistungsbeziehung für sogenannte Auftragsleistungen unter Veranlassung der Notfallpraxis oder der Kooperationspraxen, durchgeführt durch das kooperierende Krankenhaus. Die entsprechenden Regelungen sind gesetzlich zu verankern und können nicht Teil der Kooperationsvereinbarung sein.
Integrierte Notfallzentren für Kinder und Jugendliche §123b SGB V
Die Einrichtung von spezialisierten Kindernotfallzentren wird ausdrücklich begrüßt. Gerade in diesem Bereich ersetzen die Notfallstrukturen der Krankenhäuser immer häufiger fehlende diagnostische und überwachungstechnische Kapazitäten in der ambulanten Versorgung. Für den Fall, dass der erweiterte Landesausschuss die Einrichtung eines Kinder-INZ an einem bestimmten Standort aus Versorgungsgründen für notwendig hält, aber aufgrund von fehlenden niedergelassenen FachärztInnen eine Einrichtung durch die Kassenärztlichen Vereinigungen abgelehnt wird, sollten den ausgewählten Krankenhausstandorten erweiterte ambulante Behandlungsmöglichkeiten für eine wirtschaftliche Notfallversorgung von Kindern und Jugendlichen eingeräumt werden. Hierzu gehört insbesondere eine vollständige Abrechnungsfähigkeit der notwendigen diagnostischen Maßnahmen und Notfallbehandlungen im Rahmen des einheitlichen Bewertungsmaßstabs. Alternativ ist eine deutliche Anhebung der Notfallstufenzuschläge für das Modul Notfallversorgung Kinder gemäß § 9 Absatz 1a Nummer 5 KHEntgG vorzusehen. Durch eine flächendeckende und einheitliche Ersteinschätzung des Behandlungsbedarfes ist ein Missbrauch ausgeschlossen.
Weitergehende Regelungen
Eine lückenlose und tragfähige Notfallversorgung erfordert eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Leistungserbringern in der ambulanten und stationären Versorgung. Mit den vorliegenden Reformvorschlägen werden zusätzliche Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben verankert, die einen wertvollen Beitrag für eine medizinisch und wirtschaftlich sinnvolle PatientInnensteuerung leisten können. Dabei stehen notwendige Regelungen für eine bessere Koordination des Rettungsdienstes noch aus und sind bereits angekündigt. Wir empfehlen ausdrücklich die Aufnahme der Koordinierungsfunktion in der Notfallversorgung sowohl im Rahmen des Rettungsdienstes als auch in den integrierten Notfallzentren in die Aufgaben nach §6b (Neu) KHG gemäß KHVVG aufzunehmen. Auf dieser Basis wird der dringend notwendige regionale Bezug der Koordinierungsverantwortung gesetzlich verankert und für die Versorgung genutzt.
Aufgrund der herausragenden Bedeutung einer verlässlichen und glaubwürdigen Notfallversorgung für eine grundlegende Reform der Krankenhauslandschaft sollten die bestehenden Notfallstrukturen bis zum Wirksamwerden der vorgeschlagenen Neuregelungen sowie der geplanten Krankenhausreform nachhaltig gesichert und gestärkt werden. Dafür empfehlen wir kurzfristig eine Anhebung der Notfallstufenzuschläge nach § 9 Absatz 1a Nummer 5 KHEntgG. Im Sinne einer Vorhaltefinanzierung kann zur Refinanzierung eine anteilige Absenkung der Einzelfallvergütung erwogen werden.