AKG-Stellungnahme zum Krankenhausreformanpassungsgesetz (KHAG)

Erstellt von:AKG Geschäftsstelle
Erstellt am:21.08.2025
Aktualisiert am:27.08.2025, 16:41

Grundsätzliche Einordnung

Die Krankenhausreform gehört zu den wichtigsten Weichenstellungen auf dem Weg zu einer nachhaltig tragfähigen Krankenhauslandschaft in Deutschland. Dabei ist der schwierige Spagat zwischen Versorgungssicherheit, Finanzierbarkeit und Qualität zu bewältigen. Die Einführung von Leistungsgruppen und Vorhaltefinanzierung schafft die notwendigen Voraussetzungen für einen Ausgleich zwischen den drei divergierenden Anforderungen. Weder personell noch finanziell verfügt das Gesundheitswesen über ausreichend Ressourcen, um sich im Rahmen der bestehenden Strukturen und Arbeitsweisen zukunftsfähig aufzustellen.

Vor diesem Hintergrund weisen wir ausdrücklich darauf hin, dass jede Aufweichung und Verzögerung der Krankenhausreform eine nicht tragfähige Versorgungslandschaft fortführt und weder auf Seiten der Krankenhäuser noch in der GKV und auch nicht im Sinne der Versorgungsqualität die dringend notwendigen Veränderungen herbeiführt.

Der onkochirurgische Leistungsausschluss trägt unmittelbar zur Verbesserung der Versorgungsqualität bei und setzt wichtige Impulse für eine notwendige Konzentration hochspezialisierter Leistungen. Eine zeitliche Verschiebung im Zusammenhang mit der späteren Umstellung auf Leistungsgruppen und Vorhaltefinanzierung ist sachlogisch nicht erforderlich.

Sämtliche Ausnahmeregelungen sind immer auch auf ihre Auswirkungen auf die Finanzierungssituation in der GKV und für die Krankenhäuser zu bewerten. Eine großzügige Anwendung von Ausnahmetatbeständen führt zu einem Wettbewerbsnachteil jener Krankenhäuser, die die Strukturanforderungen vollständig erfüllen und der gleichen Vorhaltefinanzierungslogik unterliegen. Darüber hinaus wird mit der geplanten Vorhaltefinanzierung keine nachhaltige Wirtschaftlichkeit bei den bedarfsnotwendigen Krankenhäusern erreicht werden, sofern und soweit die Ausnahmemöglichkeiten dazu genutzt werden, den notwendigen Konzentrationsprozess zu unterminieren.

Durch die Verschiebung der Vorhaltefinanzierung soll auch die Einführung und Refinanzierung der Koordinierungsfunktion um ein Jahr verschoben werden. Gleichzeitig befinden sich die relevanten Akteure für die Koordinierung und Vernetzung der Versorgung in enger Abstimmung mit den Ministerien auf Bundes- und Landesebene zur Stärkung der Krisenresilienz in der stationären Versorgung. Aus diesen Überlegungen lassen sich schon heute wichtige Koordinierungsaufgaben ableiten. Dazu gehören

  • der Aufbau von Personalreserven und die kontinuierliche Schulung des Personals für Krisenlagen
  • die Planung und Durchführung von standortübergreifenden Schulungen zu erweiterten Krisenszenarien
  • die Etablierung von standortübergreifenden Plattformen zur Verfügbarkeit von Behandlungskapazitäten, medizintechnischen Geräten und eingewiesenem Personal.

Diese Aufgaben vertragen angesichts der aktuellen geopolitischen Unsicherheiten keinen Aufschub. Mit der Bereichsausnahme im Artikel 109 GG besteht die Möglichkeit, diese Aufgaben tragfähig zu refinanzieren. Auf dieser Grundlage sollte die Einführung der Koordinierungsfunktion bereits auf das Jahr 2027 vorgezogen und durch eine Erweiterung der Aufgaben in §6b KHG ein wertvoller Beitrag zum Zivil- und Bevölkerungsschutz gelegt werden.

Die notwendigen Investitionen in eine krisenresiliente Krankenhausinfrastruktur sollten zudem im Rahmen des Transformationsfonds als förderungswürdig anerkannt werden.

Zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung von Krankenhausstandorten durch die erweiterten Ausnahmetatbestände sowie zur Stärkung des Zivil- und Bevölkerungsschutzes schlagen wir im Einzelnen folgende Änderungen vor:

§6b KHG (Änderungen in roter Schrift)

Die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde kann einem Krankenhaus unter der in Satz 3 genannten Voraussetzung im Benehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen folgende Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben gemeinsam zuweisen:

  1. die krankenhausübergreifende Koordinierung von Versorgungsprozessen und -kapazitäten, insbesondere bei Großschadenslagen, der Intensivmedizin und Notfallversorgung, im Zusammenwirken mit den nach Landesrecht bestimmten oder den von der obersten zuständigen Landesbehörde hierfür vorgesehenen Rettungsleitstellen, und
  2. die Konzeption und die Koordinierung des Einsatzes regionaler, insbesondere telemedizinischer Versorgungsnetzwerke sowie informationstechnischer Systeme und digitaler Dienste.
  3. die telemedizinische Anbindung von sektorübergreifenden Versorgungseinrichtungen sowie Sicherstellungshäusern nach § 135e Absatz 2 SGB V und weiterer Standorte mit Ausnahmen von den Strukturanforderungen der Leistungsgruppen,
  4. die gemeinsame Datennutzung im Sinne der Versorgungsforschung und Qualitätssicherung nach Gesundheitsdatennutzungsgesetz – auch für die angeschlossenen Krankenhäuser,
  5. die administrative und fachliche Koordinierung der ärztlichen Weiterbildung in der Region sowie
  6. Maßnahmen zum Zivil- und Bevölkerungsschutz, insbesondere
  • den Aufbau von Personalreserven und die kontinuierliche Schulung des Personals für Krisenlagen,
  • die Planung und Durchführung von standortübergreifenden Schulungen zu erweiterten Krisenszenarien,
  • die Etablierung von standortübergreifenden Plattformen zur Lagebilderfassung.

Das Nähere zu dem Inhalt der in Satz 1 genannten Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben vereinbaren die Vertragsparteien nach § 17b Absatz 2. Bei der Zuweisung der Aufgaben ist auf einen angemessenen regionalen Bezug zu achten und die Strukturen des Zivil- und Bevölkerungsschutzes zu berücksichtigen.

Die in Satz 1 genannten Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben dürfen folgenden Krankenhäusern zugewiesen werden:

  1. einem Krankenhaus, das der in § 135d Absatz 4 Satz 2 Nummer 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genannten Versorgungsstufe „Level 3U“ zugeordnet ist, oder
  2. einem Krankenhaus, das der in § 135d Absatz 4 Satz 2 Nummer 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch genannten Versorgungsstufe „Level 3“ zugeordnet ist, wenn in dem jeweiligen Land kein Krankenhaus der Versorgungsstufe „Level 3U“ zugeordnet ist, oder wenn die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde dies zur Förderung der Koordinierung und Vernetzung der Krankenhausversorgung für erforderlich hält.

[…]

Begründung:

Zur Stärkung der Krisenresilienz in der Gesundheitsversorgung ist eine regional abgestimmte und koordinierte Vorbereitung aller Leistungserbringer erforderlich. Die Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben verbindet die Rollen der Regelversorgung mit gezielten Maßnahmen für den Zivil- und Bevölkerungsschutz und trägt auf diese Weise zur Sicherstellung der Versorgung im Krisenfall bei. Dazu tragen insbesondere digitale Plattformen zur Lagebilderfassung über Behandlungskapazitäten, medizinische Geräte sowie qualifiziertem Personal bei. Ein angemessener regionaler Bezug soll eine enge Abstimmung zwischen allen Akteuren – auch aus dem Zivil- und Bevölkerungsschutz sicherstellen. Die Plattformen müssen überregional interoperabel ausgestaltet werden. Die Refinanzierung dieser Aufgaben ist durch die Bereichsausnahme nach Artikel 109 GG zu ermöglichen. Eine Ausgestaltung durch die Selbstverwaltungspartner ist auf dieser Basis nicht mehr sachgerecht.

§38 KHG (Änderungen in roter Schrift)

(1) Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus teilt jährlich, erstmals für das Kalenderjahr 2027, zur Ermittlung der Beträge der Förderung der Wahrnehmung der nach § 6b Satz 1 zugewiesenen Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben eine Gesamtsumme in Höhe von 125 Millionen Euro rechnerisch auf die Länder auf. Der auf ein Land nach Satz 1 aufzuteilende Betrag ergibt sich, indem der Anteil des Vorhaltevolumens dieses Landes im jeweiligen Kalenderjahr an der Summe der Vorhaltevolumina aller Länder im jeweiligen Kalenderjahr mit der in Satz 1 genannten Gesamtsumme multipliziert wird. Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus teilt den nach Satz 1 auf ein Land aufgeteilten Betrag rechnerisch auf die Krankenhäuser in dem jeweiligen Land auf, denen nach § 6b Satz 1 Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben zugewiesen wurden. Der auf ein Krankenhaus nach Satz 3 aufzuteilende Betrag ergibt sich, indem der Anteil der Summe der für seine Krankenhausstandorte nach § 37 Absatz 1 Satz 1 und 2 ermittelten und nach § 37 Absatz 1 Satz 3 und 4 aufgeteilten Vorhaltevolumina an der Summe aller für die Krankenhausstandorte von Krankenhäusern, denen nach § 6b Satz 1 Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben zugewiesen wurden, nach § 37 Absatz 1 Satz 1 und 2 ermittelten und nach § 37 Absatz 1 Satz 3 und 4 aufgeteilten Vorhaltevolumina in dem jeweiligen Land mit dem auf das jeweilige Land nach Satz 1 aufgeteilten Betrag multipliziert wird. Das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus veröffentlicht die nach den Sätzen 1 und 3 aufgeteilten Beträge für jedes Kalenderjahr bis zum 10. Dezember des jeweils vorhergehenden Kalenderjahres, erstmals bis zum 10. Dezember 2026, barrierefrei auf seiner Internetseite. Übermittelt die für die Krankenhausplanung zuständige Landesbehörde die in § 6b Satz 7 genannten Angaben nicht innerhalb der dort genannten Frist, ist das jeweilige Land in der Aufteilung nach Satz 1 für das Kalenderjahr, für das die Angaben nicht fristgerecht übermittelt wurden, zwar rechnerisch zu berücksichtigen, der Betrag jedoch nicht nach Satz 3 auf die Krankenhäuser in dem jeweiligen Land aufzuteilen.

Ab dem Jahr 2026 stellt der Bund den Ländern für die Koordinierungs- und Vernetzungsaufgaben nach § 6b Satz 1 KHG jährlich 250 Mio. Euro zur Verfügung. Die Zuteilung der Mittel auf die Bundesländer erfolgt nach Bevölkerungsanteilen. Die Länder weisen den nach § 6b Satz 2 KHG ausgewählten Krankenhausstandorten ihren Anteil ebenfalls nach Bevölkerungsanteilen zu. Die Auszahlung erfolgt über das Bundesamt für soziale Sicherung.

Begründung

Die erweiterten Aufgaben der Koordinierungsfunktion schaffen die notwendigen Strukturen und Netzwerke zur Stärkung der Krisenresilienz in der Gesundheitsversorgung. Aufgrund der erheblichen Aufgabenausweitung ist die Finanzierung entsprechend anzupassen. Dabei handelt es sich um gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die durch die Bereichsausnahme nach Artikel 109 GG zu refinanzieren sind. Aus diesem Grund erscheint die Zuteilung nach Bevölkerungsanteilen sachgerecht. Die Auszahlung über das BAS sorgt für einen klar abgegrenzten Finanzierungsweg außerhalb der GKV. Gleichzeitig profitiert die Regelversorgung von einer engeren Zusammenarbeit der Krankenhäuser.

Downloads